Es gibt derzeit viele Fragen zu Ahorn: Sind die Blätter, Blüten, Sämlinge von Ahorn-Arten giftig? In den Medien geistern viele Meldungen dazu umher. Leider werden Meldungen über Gifte in Pflanzen oft auch unnötig „hochgekocht“. Deshalb hier eine Darstellung der Sachlage.
Gefährlich für Pferde
Unbestritten ist, dass einige Ahorn-Arten eine sog. nicht-proteinogene Aminosäure (nicht in DNA codiert, keine Verwendung für Eiweiß-Biosynthese) enthalten, nämlich Hypoglycin A. Im Jahr 2015 hat man diese Substanz, die vor allem in Samen und Keimlingen von Eschen-Ahorn (Acer negundo) und Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus) vorkommt, als Auslöser der Weide-Myopathie bei Pferden erkannt. Infolge dieser Stoffwechselstörung, die schon früher beschrieben wurde, deren Ursache aber lange unbekannt bleib, kann es zu schweren Beeinträchtigungen wie Muskeldegeneration bis hin zu tödlichen Verläufen kommen – vorwiegend bei jungen Tieren auf ungepflegten, überbeanspruchten Weiden ohne zusätzliches Raufutter und nach Wetterumschwüngen oder Kälteeinbrüchen. Bei Wiederkäuern wie Rindern sind bislang keine solchen Krankheitsverläufe erwähnt, allerdings rät die Veterinärmedizin zu besonderer Vorsicht. Hypoglycin A bleibt wohl auch in Silage erhalten, besonders im Herbst (Samen) und im Frühjahr (Keimlinge) besteht ein erhöhtes Risiko.
Bleibt zu fragen, warum es bei den “Ahornböden” in der Schweiz, Tirol und Deutschland keine Berichte über Vergiftungen durch Ahorn gegeben hat, wo Berg-Ahorne auf Almwiesen stehen. Große Ahornbäume standen und stehen auch im Flachland vielerorts als Schattenspender auf den Weiden. Das Laub wurde früher in großen Mengen nicht nur zur Einstreu, sondern auch als Viehfutter genutzt, die Tiere fraßen unter den Bäumen auf den Weiden.
Bild: Großer Ahornboden im Karwendel
Gefährlich für den Menschen?
Alle seriösen Quellen sprechen ausdrücklich davon, dass nur bestimmte Ahorn-Arten das Nervengift Hypoglycin A enthalten. Die Sachlage, ob Ahorne auf den Menschen giftig wirken, ist bislang nicht geklärt. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass Hypoglycin A in unreifen Früchten von Litschis (Litchi sinensis) oder Akipflaumen (Blighia sapida) aus der Familie der Seifenbaumgewächse (Sapindaceae) – zu der auch Ahorn zählt – bei übermäßigem Konsum Vergiftungserscheinungen wie Erbrechen, Unterzuckerung oder Erschöpfungszustände hervorruft.
Bild: Eschen-Ahorn (Acer negundo)
Die Blätter von Berg- und Feld-Ahorn (Acer campestre) wurden einst wie Kraut mit Salz eingestampft und milchsauer vergoren – als Nahrung. Frische wie getrocknete Blätter der heimischen Ahorn-Arten dienten zur Zubereitung von Speisen wie Suppe, Brei oder Gemüse. Auch die Samen aus den Flügelfrüchten und die Keimlinge wurden gegessen. In Asien gelten Ahornblätter als Delikatessen, Momiji Tempura (Blätter in Salzlake eingelegt, dann in süßen Tempurateig getaucht und frittiert) sind in Japan sehr beliebt. Jedoch, es handelt sich um Ahorn-Arten, die bei uns höchstens als Zierpflanzen gezogen werden.
Bild: Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus)
Keine Berichte über Vergiftungen
Bezüglich Ahorn liegen bei den Giftinformationszentren, in den Giftnotrufzentralen sowie bei den einschlägigen wissenschaftlichen Institutionen keine Berichte über Vergiftungen beim Menschen vor. Das mag eventuell darauf beruhen, dass Ahorn so gut wie nicht gegessen wird. Es kann aber ebenso damit zu tun haben, dass Ahorn nur in sehr geringen Mengen verzehrt wird (die Dosis macht bekanntlich das Gift). Oder aber eben bei üblichen Verzehrmengen wie für Wildpflanzen üblich (Größenordnung etwa eine kleine Handvoll pro Tag) keine Giftigkeit vorliegt. Noch ein möglicher Grund: Hypoglycin A wird wie die Abbauprodukte werden durch Zubereitung wie Kochen, Dünsten, Braten, Rösten unschädlich.
Bild: Spitz-Ahorn (Acer platanoides)
Was tun?
Wie so oft scheint auch bezüglich Ahorn wieder die alte Regel “die Dosis macht das Gift” zu gelten. Man sollte den Meldungen stets unaufgeregt, aber trotzdem aufmerksam gegenüber stehen. Es passiert bei Pflanzen immer wieder, dass Berichte über Giftstoffe die Runde machen, weil durch moderne Analysemethoden bislang unbekannte Stoffgruppen entdeckt oder gewisse Zusammenhänge zwischen Naturstoffe und deren Wirkung auf den Organismus aufgedeckt werden. Huflattich, Beinwell, Borretsch sind durch ihre Gehalte an Pyrrolizidinalkaloide kritisch betrachtet worden, Basilikum wegen bestimmter ätherischer Öle als krebserregend in Verruf geraten.
Man kann Giftstoffe in pflanzlicher Nahrung nicht völlig ausschließen – beispielsweise Cucurbitacine in Zucchini und Gurken, Oxalsäure in Rhabarber und Spargel, Phasin in Hülsenfrüchten, Myristicin in der Muskatnuss, Piperidin im Pfeffer, Sambunigrin in Holunder. Selbst vor Karottengrün wird gewarnt, weil es – bei konventionellem Anbau – viele Pestizide enthält und außerdem Furanocumarine, die eventuell mehr als eine erhöhte Lichtempfindlichkeit verursachen können. Schon bei Pastinaken und Sellerie macht sich aber kaum jemand noch Gedanken, die Rüben bzw. Knollen zu verzehren, obwohl sie u.U. vielfache Mengen davon enthalten.
Bild: Berg-Ahorn (Acer pseudoplatanus)
Ähnlich wie bei Superfood, wo Nahrungsmittel wegen einer oft nur angeblich hohen Dichte an gesunden Inhaltsstoffen hochgepusht werden, gilt auch für Pflanzen mit risikobehafteten Substanzen, dass in vielen Fällen bei üblicher Verzehrmenge die Wirkung eher gering bis höchstens moderat bleibt. Trotzdem bleibt es in der eigenen Verantwortung, ob man solche Pflanzen wie auch Ahornkeimlinge, -blätter und -samen zum Verzehr verwendet. Sicherheitshalber kann man sie ersetzen, durch unverdächtige Teile wie von der Linde oder Ulme.
Bild: Maple Blossom Fritters – Spitz-Ahornblüten in Ausbackteig frittiert
Karin Greiner