Echt jetzt? Petersilie ist giftig? Darf ich die dann überhaupt noch essen? Solche Fragen stellen sich viele, wenn sie die Pressemeldungen hören, die gerade durch die Medien schwappen. Ursache ist der Titel „Giftpflanze des Jahres“, den der Botanische Sondergarten Wandsbek in Hamburg seit 18 Jahren vergibt. Den 19. Titel hat in diesem Jahr die Petersilie errungen. Aber warum würzt dieses altbekannte Küchenkraut dann nach wie vor unsere Suppen, wieso darf sie immer noch in den Tabouleh – weshalb wird Petersilie überhaupt noch in der Gemüsetheke und auf dem Marktstand verkauft?
Küchenkraut und Heilpflanze
Seit dem Altertum wird dieser Doldenblütler mit botanischem Namen Petroselinum crispum angebaut. Ursprünglich mehr als arzneilich verwendete Pflanze denn als würzende Zutat für Speisen. Geweiht war sie im antiken Griechenland der Persephone, der Göttin der Unterwelt. Petersilie war wohl schon damals als gefährlich eingestuft. Mit Petersilienkränzen schmückte man Särge und Gräber, verzehrte die Blätter beim Totenmahl. Doch wie Persephone nur ein halbes Jahr im Reich der Schatten und Toten verbringt und im Frühling daraus als Wachstum verheißende Lichtgestalt wieder auf die Erde zurückkehrt, galt das sattgrüne Kraut ebenso als Hoffnungssymbol für eine Wiedergeburt. Herakles trug ein Gebinde aus Petersilie. Nicht von ungefähr, sagte man der Petersilie doch wundersame Dinge in Liebesdingen nach. In der Petrosiliengasse wohnten leichte Mädchen, die Petersilie feilhielten, das Liebesspiel nennt man im Englischen auch parsley bed.
Aphrodisiakum und Abtreibungsmittel
„Petersilie macht zärtlich!“, heißt ein Spruch. Und sie hilft, nach alter Weisheit, dem Mann aufs Pferd, verleiht also nicht nur einem stattlichen Kerl wie Herakles echte Manneskraft. Man nennt sie daher auch Stehsalat, Geilwurz, Bockskraut oder neuerdings Viagra des armen Mannes. Diese Annahme beruht wohl im Wesentlichen auf ihrer wassertreibenden Wirkung, die auf einer Reizung des Nierengewebes durch enthaltene ätherische Öle und Flavonoide beruhen.
Apiol und Myristicin im ätherischen Öl haben darüber hinaus den Effekt, die Spannung der glatten Muskulatur zu erhöhen und die Gebärmutter zu erregen. Vor allem in den kümmelähnlichen Spaltfrüchten (meist schlicht als Samen angesprochen) stecken hohe Gehalte davon. Die bringen nach Volkes Erfahrung die Frau unter die Erd‘. Wenn sie überdosiert eingenommen werden, um sich ungewollter Leibesfrucht zu entledigen.
Vorsicht: Verwechslungsgefahr
Nicht ganz von der Hand weisen lässt sich, dass Petersilie immer mal wieder mit einer anderen Pflanze verwechselt wird, die oft direkt daneben oder gar dazwischen wachsen kann: die Hundspetersilie (Aethusa cynapium), auch Narrenpetersilie oder Gartenschierling genannt. Diese ebenfalls zu den Doldenblütlern zählende Art enthält starke Giftstoffe, die selbst in geringen Mengen Übelkeit, Durchfall, Magenschmerzen und Krämpfe hervorrufen, in höherer Menge bis hin zu Atemlähmung und Tod führen können. Wer genau darauf achtet, kann die Hundspetersilie leicht von der echten Petersilie unterscheiden: glänzende statt stumpfgrüne Blattunterseiten, bläulich bereifte, kantige statt grüne, runde, leicht gerillte Stängel, weiße statt grün-gelbe Blüten, wie feine Schleifenbändel nach unten hängende Hüllchenblätter. Wer dann noch an den Blättern reibt und riecht, bemerkt einen abstoßenden, überhaupt nicht gemüsig-würzigen Duft.
Entwarnung
Wie immer gilt, dass die Dosis das Gift macht. Petersilie ist eine Pflanze mit zweijährigem Wachstumsrhythmus. Im ersten Jahr keimt sie aus Samen und wächst heran, erst im zweiten Jahr bildet sie Blüten und Früchte. In Kultur als Küchenkraut zieht man sie nur ein Jahr, durch frühe Ernte der Triebe mit dem Blattwerk kommt die Petersilie gar nicht erst in ihre fruchtbare Phase. Damit bleiben auch die Gehalte an kritischen Inhaltsstoffen gering. Um sich mit Petersilienblättern zu schaden, müsste man enorme Mengen zu sich nehmen. Doch wer mag schon auf einen Sitz zwei große Schüsseln Petersilie essen – da vergeht einem doch vorher der Appetit. Während einer Schwangerschaft muss man den Genuss von Petersilie nicht vermeiden, aber es ist nicht abwegig, ihn zu reduzieren.
Allerdings darf man nicht unterschlagen, dass Petersilie im zweiten Lebensjahr durchaus Gefahren birgt. Blühende Pflanzen und erst recht die Früchte sollte man keinesfalls verzehren. Ebenso sollte das durch Wasserdampfdestillation gewonnene ätherische Öl der Petersilie mit Respekt und Sachkunde angewendet werden. Als hochdosiertes Konzentrat kann es schon in wenigen Tropfen eine starke Wirkung haben.
Grün und gesund
Lassen Sie sich die Petersilie keinesfalls verhageln! Greifen Sie beherzt zu den würzigen Blättern – ob von der glatten oder der krausen Variante. Immerhin hat Petersilie viel mehr Vitamin C als etwa eine Zitrone (wenn sie frisch gegessen wird). Dazu kommen Carotinoide und Mineralstoffe wie Eisen, Kalium, Calcium, Mangan. Nicht zu vergessen reichlich Chlorophyll, das eine desodorierende Wirkung entfaltet und beispielsweise Knoblauchdünste mildert.
Karin Greiner